Verbreitete Mythen über Zahngesundheit

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Ein gesundes Lächeln ist nicht nur ästhetisch, sondern auch ein wichtiger Indikator für das allgemeine Wohlbefinden. Dennoch kursieren weiterhin viele Mythen rund um die Mundpflege. Wir werden die hartnäckigsten Irrtümer analysieren, wissenschaftliche Daten betrachten und praktische Ratschläge geben, die für Menschen in jedem Land möglichst universell und verständlich sind.

 

Mythos 1: Wenn die Zähne nicht schmerzen, muss man nicht zum Zahnarzt gehen

Ein symptomloser Beginn ist ein typisches Merkmal von Karies und Gingivitis. Auch wenn man noch keine Schmerzen verspürt, kann der Zahnschmelz bereits zerstört und das Zahnfleisch entzündet sein. Fachkräfte erkennen frühe Veränderungen, bevor sie ein ernstes Stadium erreichen, und eine Behandlung im Frühstadium ist kostengünstiger und nahezu schmerzfrei. Führende zahnmedizinische Organisationen empfehlen eine Vorsorgeuntersuchung mindestens einmal alle sechs Monate – das ist der „Goldstandard“ für Menschen mit durchschnittlichem Kariesrisiko.

Tipps
  • Vereinbaren Sie alle sechs Monate einen Termin beim Zahnarzt, auch wenn alles in Ordnung zu sein scheint.
  • Einmal im Jahr eine Panoramaaufnahme anfertigen lassen – sie zeigt versteckte Zysten und Probleme unter Füllungen.
  • Führen Sie einen elektronischen Kalender: Stellen Sie eine Erinnerung direkt nach der letzten Kontrolle ein.

 

Mythos 2: Zahnprobleme beeinflussen die Funktion anderer Organe nicht

Studien zeigen, dass eine schwere Parodontitis die Wahrscheinlichkeit eines ischämischen Schlaganfalls fast verdoppelt.

Unbehandelte Infektionen in den Zahnwurzeln fördern chronische Entzündungen, belasten das Immunsystem zusätzlich und stehen im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-, Nieren- und Stoffwechselerkrankungen.

Die Weltgesundheitsorganisation zählt Karies und Zahnfleischerkrankungen zu den globalen nicht übertragbaren Epidemien: Über 3,5 Milliarden Menschen sind betroffen, obwohl die meisten Fälle vermeidbar wären.

Tipp

Wenn Sie Bluthochdruck, Diabetes behandeln oder Antikoagulanzien einnehmen, informieren Sie Ihren Zahnarzt – der Spezialist wird den Eingriffsplan entsprechend anpassen.

 

Mythos 3: Der Verlust eines oder zweier Zähne ist nicht kritisch

Bereits der Verlust eines einzelnen Zahnes bringt das Gleichgewicht durcheinander. Nachbarzähne beginnen, sich in Richtung der Lücke zu verschieben, gegenüberliegende Zähne bewegen sich nach unten oder oben. Dadurch verschiebt sich der Biss, und die Belastung auf die Kiefer wird ungleichmäßig, da der Mensch unbewusst die verbleibenden Zähne stärker belastet.

Es sollte auch erwähnt werden, dass der Verlust von Zähnen die Struktur des Nervensystems beeinflusst, sogar im Bereich des Rückenmarks und der Großhirnrinde. Neuronen sterben ab, und die Regulation innerer Körperfunktionen verändert sich, was zu Magengeschwüren, Gastritis oder Bluthochdruck führen kann.

Tipps
  • Suchen Sie innerhalb von 2–3 Wochen nach einer Zahnextraktion einen Prothetiker auf. Moderne Techniken ermöglichen es, Ästhetik und Funktion nahezu ohne Unbehagen wiederherzustellen.
  • Besprechen Sie nach einer Zahnextraktion mit Ihrem Zahnarzt frühzeitig eine temporäre Krone oder ein Implantat, noch bevor das Zahnfach vollständig verheilt ist. Bei einzelnen Lücken erwägen Sie Inlays oder Mikropothesen – sie schonen die Nachbarzähne.
  • Erhalten Sie mindestens 28 funktionierende Zähne (bei Erwachsenen ohne Weisheitszähne) – dies ist die Mindestanzahl für eine physiologische Belastung des Kieferknochens.

 

Mythos 4: Parodontose wird nur von Zahnärzten behandelt

Viele glauben, dass eine Erkrankung wie Parodontose ausschließlich von Zahnärzten behandelt wird. Das stimmt so nicht ganz. Die Ursache dieser Krankheit kann eine Erkrankung der inneren Organe sein, die in erster Linie behandelt werden muss. Ein Zahnarzt kann natürlich auch bei Parodontose helfen, aber ohne Behandlung der Grunderkrankung wird der Effekt nur kurzfristig und rein kosmetischer Natur sein.

Für Erkrankungen wie Parodontitis und Parodontose ist eine umfassende Strategie erforderlich – nicht nur die Sanierung der Mundhöhle, sondern auch die Kontrolle systemischer Risikofaktoren (Rauchen, Diabetes mellitus, Vitamin-D-Mangel, chronische Magen-Darm-Erkrankungen, Stress).

Tipps
  • Bitten Sie Ihren Hausarzt um eine Basisblutanalyse (C-reaktives Protein, Ferritin, Nüchternblutzucker) – Indikatoren für chronische Entzündungen helfen, den Schweregrad des Prozesses einzuschätzen.
  • Überprüfen Sie Ihren Glukosespiegel, Vitamin-D-Spiegel und die Funktion der Schilddrüse.
  • Passen Sie Ihre Ernährung an: mehr Fisch, Grünzeug und Nüsse.

 

Mythos 5: Familienzahnpasta ist für alle geeignet

Hersteller werben manchmal für Zahnpasten für die ganze Familie. Doch eine universelle Zahnpasta gibt es nicht.

Erstens benötigt man in verschiedenen Altersstufen unterschiedliche Zahnpasta. Zum Beispiel brauchen Kinder eine kleinere Menge Zahnpasta und eine geringere Fluoridkonzentration: etwa 500 ppm bis zum Alter von 6 Jahren, bis zu 1000 ppm im Alter von 6–12 Jahren.

Zweitens hängt die Wahl der Zahnpasta auch vom Zustand der Zähne und sogar von der Region des Wohnortes ab. In Gebieten mit hohem Fluoridgehalt im Trinkwasser sind fluoridhaltige Zahnpasten kontraindiziert. Umgekehrt sollte man in Regionen mit wenig Fluorid im Wasser fluoridhaltige Zahnpasten verwenden.

Tipps
  • Erkundigen Sie sich auf der Website der kommunalen Dienste oder des Rathauses nach dem Fluoridgehalt im Leitungswasser.
  • Schicken Sie eine Probe Ihres Trinkwassers in ein unabhängiges Labor zur Qualitätsanalyse.
  • Beraten Sie sich mit Ihrem Zahnarzt bei der Wahl der Zahnpasta.
Ehepaar beim Zähneputzen

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Mythos 6: Wenn die Zähne „schlecht vererbt“ sind, hilft keine Prophylaxe

Gene beeinflussen tatsächlich die Mineralisierung des Zahnschmelzes und die Zusammensetzung des Speichels, aber der Erbanteil wird auf 15–30 % geschätzt. Ernährung, Hygiene und Zugang zu Fluorid wiegen deutlich stärker.

Tipp

Verwenden Sie die einfache Formel: „2 × 2 × 2“ – zweimal täglich Zähne putzen, mindestens zwei Minuten lang, auf zwei Arten (Bürste + Zahnseide oder Munddusche).

 

Mythos 7: Ein Frischegefühl bedeutet perfekte Sauberkeit

Menthol überdeckt nur den Geruch, entfernt aber nicht den bakteriellen Belag. Überprüfen Sie die Qualität der Hygiene mit Indikator-Tabletten: Sie färben frischen Belag rosa und älteren Belag blau-violett. So erkennen Sie leicht, wo Sie Stellen übersehen.

Tipp

Färben Sie einmal pro Woche Ihre Zähne mit einem Indikator ein, um „blinde Zonen“ sichtbar zu machen und Ihre Putztechnik zu verbessern.

 

Mythos 8: Schwangerschaft „zieht“ Kalzium aus den Zähnen

Es gibt eine weit verbreitete Meinung, dass sich bei schwangeren Frauen die Zähne verschlechtern, weil der Fötus Kalzium aus dem Körper entzieht. Gründliche Studien haben jedoch gezeigt, dass aus einem ausgereiften, durchgebrochenen Zahn nicht einmal ein Tausendstel des Kalziums für den Aufbau der Knochen des ungeborenen Kindes entnommen werden kann.

Für die Entwicklung des kindlichen Skeletts mobilisiert der Körper Mineralien aus den Knochendepots, nicht aber aus bereits gebildeten Zähnen. Ein erhöhtes Kariesrisiko hängt vielmehr mit morgendlicher Übelkeit (Säure weicht den Zahnschmelz auf), Ernährungsumstellung und häufigeren Zwischenmahlzeiten zusammen. Außerdem sinkt die Speichelproduktion aufgrund hormoneller Veränderungen.

Tipps
  • Besuchen Sie einen Zahnarzt bereits in der Phase der Schwangerschaftsplanung und im zweiten Trimester – das ist die sicherste Zeit für Behandlungen und professionelle Zahnreinigungen.
  • Spülen Sie den Mund nach Erbrechen mit Wasser aus und putzen Sie die Zähne erst 30 Minuten später, wenn sich der pH-Wert des Zahnschmelzes wieder normalisiert hat.

 

Mythos 9: Bei Zahnschmerzen sollte man die Wange wärmen

Eine warme äußere Kompresse fördert die Durchblutung und kann die Ausbreitung der Infektion beschleunigen. Viel hilfreicher sind warme (aber nicht heiße) Spülungen mit Salzwasser: 1 Teelöffel Salz auf 200 ml Wasser. Eine solche Lösung reduziert die Schwellung, spült Eiter aus und lindert Schmerzen.

Zahnärzte betonen, dass man auch mit Kräutern wie Kamille, Salbei oder Eichenrinde spülen kann.

Tipps
  • Spülen Sie jeweils 30 Sekunden lang bis zu 3–4 Mal täglich und kehren Sie danach zum normalen Hygieneregime zurück. Wenn die Schmerzen länger als einen Tag anhalten – sofort zum Arzt!
  • Vermeiden Sie es, auf der schmerzenden Wange zu schlafen – über Nacht könnte das Kissen die Schwellung noch deutlich verstärken.

 

Praktische Empfehlungen zur Zahnpflege

  1. Wählen Sie eine Bürste mit weichen oder mittelharten Borsten. Zu harte Borsten zerkratzen den Zahnschmelz und verletzen den Zahnfleischrand, was das Risiko einer Rezession erhöht. Amerikanische Zahnärzte empfehlen, sich für soft oder medium zu entscheiden und eher auf die Technik als auf die Kraft der Bewegungen zu achten – so lässt sich der maximale Belag entfernen, ohne das Gewebe zu schädigen.
  2. Erlernen Sie die modifizierte Bass-Technik (Modified Bass). Halten Sie die Bürste in einem Winkel von 45° zur Zahnfleischlinie, sodass die Borstenspitzen teilweise unter den Zahnfleischrand eindringen. Kleine vibrierende Bewegungen (10–15 „Schüsse“ pro Stelle) zerstören den Biofilm genau dort, wo Gingivitis am häufigsten beginnt. Anschließend führen Sie eine leichte „Wischbewegung“ in Richtung Schneidekante aus und gehen zum nächsten Zahn über. Eine vollständige Runde über alle Flächen dauert mindestens zwei Minuten.
  3. Wechseln Sie Ihre Bürste (oder den Aufsatz einer elektrischen Bürste) alle 3 Monate. Nach 12 Wochen fransen die Borsten aus, verlieren an Elastizität und entfernen Belag deutlich schlechter; Laborstudien dokumentieren bereits zu diesem Zeitpunkt einen spürbaren Wirkungsverlust. Nach einer Erkältung oder Grippe sollten Sie die Bürste früher austauschen, um eine erneute Infektion zu vermeiden.
  4. Reduzieren Sie „Zuckerattacken“. Jede süße Mahlzeit löst die „Stephan-Kurve“ aus: Der pH-Wert des Belags sinkt etwa 20–40 Minuten lang unter den kritischen Wert von 5,5 und löst aktiv Mineralien aus dem Zahnschmelz. Je häufiger die Snacks, desto weniger Zeit bleibt dem Speichel, den pH-Wert zu normalisieren und die Remineralisation zu starten. Deshalb ist es besser, das Dessert auf einmal beim Mittagessen zu genießen, als Süßigkeiten über eine Stunde hinweg zu naschen.
  5. Halten Sie die Feuchtigkeitsbalance aufrecht. Speichel ist der wichtigste Puffer: Normalerweise produziert der Körper bis zu 0,7 Liter Speichel pro Tag, spült Säuren weg und versorgt die Zähne mit Kalzium und Phosphaten. Trinken Sie über den Tag verteilt sauberes Wasser, insbesondere nach Kaffee und süßen Getränken, um den Speichelfluss und die natürliche Selbstreinigung zu unterstützen.
  6. Verwenden Sie Zahnseide vor dem Schlafengehen. Die Zahnbürste reinigt nur 60 % der Zahnoberfläche; der Rest betrifft die Kontaktpunkte zwischen den Zähnen. Die American Dental Association empfiehlt, die Zahnzwischenräume mindestens einmal täglich mit traditioneller Zahnseide, Interdentalbürsten oder einem Mundduscher zu reinigen. Wenn Zahnseide stecken bleibt, probieren Sie flache Bänder oder ultradünne Teflonfäden aus.
  7. Mundspülung mit 0,05 % Fluorid. Eine Lösung mit 230 ppm F stärkt den Zahnschmelz, insbesondere bei Menschen mit Zahnspangen, Xerostomie oder hohem Kariesrisiko. Spülen Sie 10 ml eine Minute lang und verzichten Sie 30 Minuten auf Essen und Trinken. Für Kinder unter 6 Jahren sind solche Mittel wegen Verschluckungs- und Fluoroserisiken nicht geeignet.
  8. Kauen Sie nach dem Essen zuckerfreien Kaugummi (am besten mit Xylit). Fünf bis zehn Minuten Kauen steigern den Speichelfluss um das 10–12-fache und neutralisieren Säuren. Xylit hemmt zusätzlich das Wachstum von Streptococcus mutans; deshalb verteilt Finnland seit drei Jahrzehnten Xylit-Kaugummis an Schulen. Beschränken Sie sich auf drei Kausessions pro Tag, um das Kiefergelenk nicht zu überlasten.
  9. Lassen Sie alle 6–12 Monate eine professionelle Zahnreinigung mit Air-Flow durchführen. Eine Mischung aus warmem Wasser, Luft und Erythritol-Pulver entfernt sanft Pigmente und Biofilm über und unter dem Zahnfleischrand bis zu einer Tiefe von 4 mm, nahezu ohne den Zahnschmelz zu schädigen. Die Methode ist besonders nützlich für Raucher, Patienten mit Implantaten und kieferorthopädischen Systemen.
  10. Überwachen Sie die Lebensdauer Ihrer Füllungen. Die durchschnittliche Haltbarkeit einer Kompositfüllung beträgt 8–10 Jahre: Mit der Zeit entstehen Mikroleckagen an den Rändern, Bakterien dringen in die Spalten ein, und unter der Füllung entwickelt sich versteckte Karies. Wenn Sie eine Verdunkelung am Rand, Empfindlichkeit oder Absplitterungen bemerken – suchen Sie den Zahnarzt auf, bevor schwerwiegende Schäden entstehen.
Zahnuntersuchung beim Zahnarzt

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Einige interessante Fakten über Zähne und Zahnpflege

  • Die erste Zahnbürste mit Naturborsten entstand im 15. Jahrhundert in China.
  • Im Mittelalter rettete einfacher Zitronensaft Europa vor Skorbut und Zahnfleischerkrankungen – eine wertvolle Quelle für Vitamin C.
  • Zahnseide wurde 1874 von dem Zahnarzt Levi Spear Parmly patentiert. Ursprünglich wurde sie aus Korsettseide hergestellt.
  • Zuckerfreier Kaugummi erhöht den Speichelfluss bereits nach 5 Minuten und senkt die Säure auf ein sicheres Niveau.
  • Der Zahnschmelz besteht zu 96 % aus Mineralien und ist härter als jedes andere menschliche Gewebe.
  • Im Laufe eines Lebens produzieren wir über 20.000 Liter Speichel – genug, um ein kleines Schwimmbecken zu füllen.
  • Das Zahnprofil ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck; deshalb werden zahnärztliche Karten von forensischen Experten verwendet.
  • Die erste elektrische Zahnbürste „Broxodent“ wurde 1954 vom Schweizer Philippe-Guy Woog für Patienten mit eingeschränkter Motorik erfunden.
  • In Mesopotamien wurden bereits 3500 v. Chr. Kaustöcke verwendet – direkte Vorläufer der modernen Zahnbürste.
  • Das finnische Programm „Smart Habit“ (1992) popularisierte Xylit-Kaugummi und half, Karies bei Schulkindern zu reduzieren.

 

Die Gesundheit der Mundhöhle ist eng mit der Funktion von Herz, Gehirn und Immunsystem verbunden. Zwei erste Schritte für einen zuverlässigen Schutz sind einfach: richtige Zahnpflege zu Hause und regelmäßige Zahnarztbesuche. Alles Weitere sind Variationen zu diesem Thema. Alles liegt in Ihren Händen – und natürlich in den Händen der Fachleute, an die Sie sich ohne Angst und ohne Verzögerung wenden sollten.