Irrtümer und Fakten über Affen

pixabay.com

Affen wecken seit langem besonderes Interesse und aufrichtige Sympathie bei den Menschen. Diese verspielten und gleichzeitig äußerst intelligenten Tiere zeigen ein breites Spektrum an Verhaltens- und Intelligenzmerkmalen, und jede neue Entdeckung der Wissenschaftler bestätigt nur ihre außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit.

Zur Ordnung der Primaten gehören neben den Menschenaffen etwa 150 Affenarten: von kleinen Meerkatzen bis hin zu imposanten Gorillas. Im Folgenden betrachten wir einige der häufigsten Irrtümer über das Leben und Verhalten verschiedener Affenarten und erweitern die Fakten mit interessanten Beispielen und wissenschaftlichen Daten.

 

Nur auf Bäumen?

Viele Menschen sind überzeugt, dass alle Affen ihr Leben ausschließlich auf Bäumen verbringen. Die Realität ist jedoch viel komplexer.

Einige Arten, wie Gibbons, Languren, Kolobusaffen, Brüllaffen und Totenkopfäffchen, bevorzugen tatsächlich das Leben in den Bäumen und steigen kaum auf den Boden herab. Ihre Anatomie ist an die Fortbewegung in den Ästen angepasst: Lange Gliedmaßen und greifende Schwänze (bei einigen Arten) helfen ihnen, sich zwischen Lianen und Zweigen zu bewegen.

Es gibt auch Arten, die nur einen Teil ihrer Zeit auf Bäumen verbringen. Dazu gehören insbesondere Makaken, Schimpansen und sogar einige Lemuren (obwohl Lemuren biologisch zu den Halbaffen zählen).

Ebenso gibt es Affen, die hauptsächlich auf dem Boden leben: ein anschauliches Beispiel sind Pavian-Hamadryas. Ihr Lebensstil erinnert an das Verhalten typischer terrestrischer Säugetiere, und in der Natur findet man sie in Savannen und auf Felsen, nicht nur in dichten Waldgebieten.

Das Leben auf Bäumen oder auf dem Boden hängt nicht nur von den Artmerkmalen ab, sondern auch von der Umgebung. Affen in dichten Dschungeln wählen die Baumkronen, um leichter Nahrung zu finden und Raubtieren zu entkommen. Bodenbewohnende Arten nutzen ihr scharfes Sehvermögen und kollektiven Schutz vor Bedrohungen, da sie sich direkt mit vielen Gefahren der Savannen oder Bergregionen auseinandersetzen müssen.

 

Nur Bananen?

Es ist weit verbreitet, dass Bananen die Haupt- oder sogar die einzige Delikatesse aller Affen sind. Tatsächlich ist die Banane die Frucht einer riesigen Staude (oft fälschlicherweise als Palme bezeichnet), und längst nicht alle Primaten essen sie. Die Ernährung der Affen variiert stark je nach Art, Lebensraum und sogar individuellen Vorlieben.

Einige Arten (wie Schimpansen, Kapuzineraffen, Halbaffen) sind Allesfresser: Sie essen nicht nur Früchte, sondern auch Insekten und können sogar kleine Tiere fangen. Dies unterstreicht ihre hohe Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit, ihre Ernährung bei Bedarf zu diversifizieren.

Es gibt auch rein pflanzenfressende oder fast ausschließlich pflanzenfressende Primaten. Kolobusaffen, Languren ernähren sich hauptsächlich von Blättern, dank spezieller Anpassungen des Verdauungssystems, die ihnen helfen, Pflanzenfasern zu verarbeiten. Andere Meerkatzen bevorzugen eine Kombination aus Früchten, Blättern und Insekten in moderaten Anteilen.

In Zoos oder Reservaten zeigen sich oft persönliche Vorlieben selbst bei Vertretern derselben Art. Der Naturforscher Gerald Durrell schrieb darüber in seinem Buch „Mein Familie und andere Tiere“, in dem er eine Gruppe von fünf Affen beschrieb, die unterschiedlich auf gekochte Eier, Orangen und andere Lebensmittel reagierten. Solche Fälle zeigen, dass die Ernährungsgewohnheiten von Affen nicht nur evolutionär bedingt sind, sondern auch durch individuelle Erfahrungen und sogar „kulinarische Moden“ innerhalb der Gruppe beeinflusst werden können.

Langschwanzmakake isst Bananen

pixabay.com

 

Schimpansen als Köche: Unerwartetes Verhalten

Lange Zeit galt, dass nur der Mensch in der Lage ist, Lebensmittel gezielt zu verarbeiten, um sie schmackhafter oder leichter verdaulich zu machen. Doch Beobachtungen von Wissenschaftlern im Zoo von Madrid zeigten eine interessante Gewohnheit einiger Schimpansen: Sie rieben Äpfel, Karotten und Zitrusfrüchte an steinernen Oberflächen in ihrem Gehege und leckten dann das entstandene Püree ab. Dies kann als eine Art „kulinarische“ Technik angesehen werden, die den Geschmack und die Textur der Nahrung verbessert.

Möglicherweise deutet dieses Verhalten auf ein komplexeres Denken der Schimpansen hin, als bisher angenommen. Charakteristisch ist, dass Schimpansen dafür keine Werkzeuge im vollen menschlichen Sinne verwenden, aber allein die Tatsache, dass sie die Struktur der Nahrung verändern wollen, macht sie einzigartig unter den meisten Tieren.

 

Makaken als Experimentatoren: Lektionen der Gewandtheit

Kochfähigkeiten und die Fähigkeit, Nahrung zu verbessern, sind nicht nur Schimpansen eigen. Wissenschaftler beobachteten, wie japanische Makaken versehentlich Weizenkörner ins Wasser fallen ließen, wodurch diese von Schmutz befreit wurden. Nach der positiven Erfahrung begannen die Makaken systematisch, die Körner vor dem Essen zu waschen, und andere Mitglieder der Gruppe übernahmen diese Technik schnell. Später begannen sie, auch andere Lebensmittel wie Kartoffeln zu waschen. Dieses Beispiel zeigt, wie fähig Affen zum sozialen Lernen sind und wie aufmerksam sie im Alltag agieren.

Japanische Makaken überraschen Menschen oft mit ihrer Einfallsreichtum. In Reservaten und Fütterungsstationen „betteln“ einige Tiere regelrecht: Sie stehen auf den Hinterbeinen und strecken die Vorderbeine aus, in Erwartung einer Belohnung von Besuchern. Dies zeigt die Flexibilität ihres Verhaltens und die Fähigkeit, Gesten zu verwenden, die mit menschlichen Bitten assoziiert werden.

 

Hohe Intelligenz der Schimpansen: Experimente und Hierarchie

Heute werden insbesondere Schimpansen (einschließlich der gewöhnlichen und der Zwergschimpansen) als Tiere betrachtet, die dem Menschen in ihrer Entwicklung am nächsten stehen. Wissenschaftler wie Dr. Adrian Kortlandt vom Amsterdamer Zoo beschreiben Schimpansen mit der Formel: „Sie sind keine Menschen, aber auch keine Tiere im üblichen Sinne.“ Ihre Intelligenz und komplexe soziale Struktur heben die Schimpansen unter den anderen Säugetieren hervor.

In Schimpansenkolonien existiert eine strenge soziale Hierarchie. Ein interessantes Phänomen: Wenn ein Individuum niedrigen Ranges eine neue Fähigkeit (zum Beispiel eine Methode zur Nahrungsbeschaffung aus einem speziellen Futterautomaten) erlernt, zeigen die Artgenossen kein Interesse. Beherrscht jedoch ein Alpha-Männchen oder ein ranghohes Individuum dieselbe Fähigkeit, übernimmt die ganze Gruppe schnell diese Neuerung. Dieses Phänomen wurde vom österreichischen Zoologen und Zoopsychologen Konrad Lorenz beschrieben, der die Schlüsselrolle von Autorität in Schimpansengruppen betonte.

Der deutsch-amerikanische Psychologe Wolfgang Köhler, einer der Begründer der Gestaltpsychologie, führte eine Reihe von Experimenten mit Schimpansen durch, um ihre Fähigkeit zur Problemlösung zu untersuchen. In einem Fall stand ein junger Schimpanse vor der klassischen Aufgabe, eine Traube Bananen zu erreichen, die unter der Decke hing. Es wurde erwartet, dass der Affe eine Kiste heranzieht und sich daraufstellt, doch der Schimpanse wählte einen anderen Weg: Er führte den Experimentator selbst zu der Stelle, an der die Bananen hingen, und benutzte den Wissenschaftler als „Leiter“. Dies veranschaulicht deutlich ihre Fähigkeit zu einfallsreichen Problemlösungen und dem flexiblen Einsatz verfügbarer Ressourcen.

 

Warum haben Paviane Schwielen?

Zoobesucher sind manchmal überrascht, bei Pavianen und anderen bodenlebenden Affenarten große, auffällig gefärbte Schwielen knapp unterhalb des Rückens zu sehen. Diese „Sitzschwielen“ sind nichts anderes als eine Anpassung, um bequem auf harten und scharfen Oberflächen wie Felsen oder Ästen zu sitzen. In freier Wildbahn verbringen Paviane oft Zeit auf steinigen Vorsprüngen, sodass dieses natürliche „Kissen“ ihnen hilft, Verletzungen zu vermeiden.

Pavian-Hamadryas sitzt auf einem Felsen

wikimedia.org

 

Zwergschimpansen (Bonobos): Neue Perspektiven

Lange Zeit wurden Zwergschimpansen (Bonobos) für gewöhnliche junge Schimpansen gehalten, da man annahm, sie würden aus irgendeinem Grund nicht zu erwachsenen Individuen „heranwachsen“. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine eigenständige Art (Pan paniscus), obwohl sie äußerlich den gewöhnlichen Schimpansen (Pan troglodytes) ähnlich ist. Das Körpergewicht der Bonobos ist vergleichbar mit dem ihrer „großen“ Verwandten: Männchen wiegen etwa 40 kg, Weibchen 30 kg.

Untersuchungen haben gezeigt, dass das genetische Material der Bonobos etwa zu 98 % mit dem des Menschen übereinstimmt. Einige Wissenschaftler glauben, dass diese Affen dem Menschen in bestimmten Verhaltensmerkmalen und Körperproportionen sogar näher stehen könnten als gewöhnliche Schimpansen. Ihr Körperbau erinnert in mancher Hinsicht an Australopithecinen, und die Gewohnheit, sich auf den Hinterbeinen fortzubewegen, verstärkt diese Ähnlichkeit.

 

Affen und Spiegel: Die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis

Es gibt den Mythos, dass Tiere sich im Spiegel nicht selbst erkennen können. Studien zeigen jedoch, dass einige Affen (vor allem Menschenaffen) die Fähigkeit zur Selbsterkennung besitzen. Professor Leonid Firsov aus Sankt Petersburg führte mehrere Beobachtungen auf den Seeinseln von Pskow durch, bei denen Schimpansen, die erstmals mit einem Spiegel konfrontiert wurden, Neugier zeigten und versuchten, die Natur des Spiegels zu entschlüsseln, indem sie „hinter“ die reflektierende Oberfläche blickten.

Im Zoo von Basel wurde ein Schimpanse namens Xindra während der Fütterung mit weißer Farbe auf der Stirn „markiert“. Als das Tier den Fleck im Spiegel bemerkte, versuchte es, ihn abzuwischen, und begann dann, sein eigenes Aussehen gründlich zu inspizieren, einschließlich Zähnen und Nasenlöchern. Dies ist ein klassischer Test für Selbstbewusstsein: Das Tier erkennt, dass der Fleck sich auf seinem eigenen Körper befindet.

Gorillas erkennen sich laut mehreren Experimenten in den meisten Fällen nicht im Spiegel, während Schimpansen und Orang-Utans diese Fähigkeit deutlich häufiger zeigen.

Interessanterweise wurde die Fähigkeit, sich selbst im Spiegel zu erkennen, nicht nur bei höheren Primaten, sondern auch bei Delfinen, Orcas, Elefanten, Elstern, Raben und sogar bei Mantarochen festgestellt – den ersten Fischen, die den Spiegeltest erfolgreich bestanden haben. Überraschend ist auch, dass Ameisen die einzigen Insekten sind, die diese Fähigkeit besitzen. Schweine hingegen bestehen den Test im traditionellen Sinne nicht, können jedoch Spiegel verwenden, um Nahrung zu finden. Bei den meisten anderen Tierarten lösen Spiegelbilder in erster Linie aggressive Reaktionen aus, ähnlich wie bei der Begegnung mit einem Fremden.

Affe schaut in den Spiegel

pixabay.com

 

Affen sind eine erstaunlich vielfältige Gruppe von Primaten mit einem reichen Spektrum an Verhaltensstrategien, Ernährungsgewohnheiten und Formen sozialer Interaktion. Zahlreiche Experimente und Beobachtungen von Wissenschaftlern aus aller Welt bestätigen, dass viele Affenarten Ansätze von Kultur besitzen, voneinander lernen können und ein hohes Maß an Einfallsreichtum zeigen. Die Beobachtung dieser Tiere hilft uns, die Ursprünge unseres eigenen Verhaltens und unserer Evolution besser zu verstehen. Wie Dr. Kortlandt treffend sagte: Schimpansen und Bonobos sind nicht einfach nur „Tiere“, aber auch noch keine „Menschen“ – sie nehmen einen einzigartigen Platz auf der „evolutionären Landkarte“ neben uns ein.

Gleichzeitig ist es wichtig zu bedenken, dass unser Wissen über Primaten ständig erweitert wird und viele Aspekte ihres Lebens noch unerforscht sind. Moderne Forschungsmethoden – genetische, neurobiologische und verhaltensbezogene – ermöglichen es, tiefer in die Geheimnisse der Affenintelligenz einzudringen. Dadurch eröffnen wir nicht nur ihre Welt für uns, sondern erkennen auch besser unseren eigenen Platz in der gemeinsamen Evolutionsgeschichte.