5 Mythen über Produkte mit der Kennzeichnung „bio“, „eco“ und „organic“

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Bio-Produkte tauchen immer häufiger in den Regalen auf und sorgen regelmäßig für hitzige Debatten. Einige sind überzeugt, dass solche Lebensmittel völlig frei von Chemie sind und den Planeten retten können; andere meinen, es sei nur „teuer und modisch“. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen.

Gehen wir die gängigsten Mythen der Reihe nach durch – und vergessen wir dabei nicht die Vor- und Nachteile sowie praktische Erkenntnisse für den Alltag.

 

Woher kommt das „grüne“ Logo und was bedeutet es

Die Idee, besondere – „reine“ – Lebensmittel zu kennzeichnen, entstand bereits in den 1920er-Jahren. Damals bemerkten europäische Agronomen, darunter der Brite Albert Howard und der Deutsche Rudolf Steiner, dass die Böden auslaugen und die Ernten zunehmend von steigenden Dosen mineralischer Dünger abhängig werden. Sie schlugen vor, der Natur ihren Rhythmus zurückzugeben – Gründüngung zu betreiben, den Boden mit Kompost zu nähren und möglichst wenig Chemikalien zu verwenden. Jahrzehntelang blieb das eine Sache von Enthusiasten.

Ein Wendepunkt kam nach dem Zweiten Weltkrieg: Pestizide und Dünger wurden günstiger, das Nahrungsangebot stieg, doch mit dem Überfluss kamen auch Skandale über verschmutztes Wasser und „leere“ Früchte. 1972 schlossen sich Bauernverbände zur internationalen Organisation IFOAM zusammen. Sie führte zwar kein eigenes Zeichen ein, fasste aber erstmals alle Prinzipien der „Bio“-Idee unter einem Dach zusammen: Bodengesundheit, Tierschutz und Verzicht auf Gentechnik.

1991 verabschiedete die Europäische Union erste gemeinsame Regeln für den ökologischen Landbau, und im Jahr 2000 wurde ein freiwilliges Logo vorgestellt – ein hellgrünes Rechteck mit einem aus zwölf Sternen gebildeten Blatt. Die Farbe sollte auf die Natur hinweisen, die Sterne stammen von der EU-Flagge: Die Idee war einfach – zu zeigen, dass das Produkt sowohl „umweltfreundlich“ als auch nach einem einheitlichen europäischen Gesetz zertifiziert ist.

Seit dem 1. Juli 2010 ist das Zeichen für alle verpackten Produkte, die in der EU nach dem Bio-Standard hergestellt wurden, verpflichtend. Auf der Verpackung steht neben dem Blatt der Code der Kontrollstelle (zum Beispiel DE-ÖKO-003) und die Zeile „EU/Non-EU Agriculture“, die angibt, woher die Rohstoffe stammen.

Heute ist zertifizierte „Bio“-Ware kein Nischenprodukt mehr: Der weltweite Umsatz hat bereits 70 Milliarden Dollar überschritten, und der Markt wächst weiter. In den meisten großen Volkswirtschaften – der Europäischen Union, den USA, Japan, Großbritannien – gibt es strenge Gesetze, die genau regeln, was als „organic“ gilt.

In vielen Ländern ist die ökologische Produktion streng reguliert. Um das Logo zu erhalten, muss ein Landwirt ein genaues Arbeitsjournal führen, Quittungen für Saatgut und Dünger aufbewahren und Inspektoren Zugang zu Feldern und Lagerhäusern gewähren. Deshalb ist das Logo kein leeres Marketing, sondern ein Zeichen dafür, dass der Betrieb kontrolliert wurde. Doch das Zeichen garantiert keine absolute Perfektion – und das aus gutem Grund.

 

Mythos 1: Bio-Produkte sind vollkommen sicher und enthalten keine Chemie

Auf Bio-Bauernhöfen sind tatsächlich viele synthetische Pestizide und Dünger verboten, aber „ganz ohne Chemie“ geht es auch dort nicht.

Erstens werden Pflanzen weiterhin von Schädlingen und Krankheiten befallen, und Landwirte setzen verschiedene chemische Substanzen natürlichen Ursprungs ein – etwa Kupfersulfatlösungen oder Pflanzenauszüge. Das heißt, auch auf Bio-Höfen werden Pflanzen gespritzt und gedüngt – nur mit Mitteln, die als schonender für Mensch und Umwelt gelten. Ein völliger Verzicht auf chemische Stoffe ist nicht möglich.

Zweitens können sowohl auf konventionellen als auch auf Bio-Feldern Rückstände verbotener Stoffe vorkommen, die der Wind von benachbarten Plantagen herübergetragen hat.

Unabhängige Labore analysieren jedes Jahr Tausende von Lebensmittelproben. In Bio-Produkten werden Grenzwertüberschreitungen bei Pestiziden seltener festgestellt als bei konventionellen, aber sie kommen trotzdem vor. Zudem schützt das grüne Logo nicht vor Bakterien – E. coli oder Salmonellen können überall auftreten. Deshalb sollte Gemüse gründlich gewaschen und Fleisch sowie Milchprodukte unbedingt ausreichend erhitzt werden.

 

Mythos 2: Bio-Produkte schmecken immer besser

Geschmackstests liefern widersprüchliche Ergebnisse. Wenn die Verkoster nicht wissen, was sie essen, bevorzugen sie etwa gleich häufig konventionelle wie biologische Gurken. Entscheidend sind Sorte, Frische und Anbauort. Eine Tomate, die reif vom Strauch unweit Ihres Zuhauses geerntet wurde, wird wahrscheinlich aromatischer sein als ein weit gereistes Pendant – egal ob bio oder nicht.

Einige Produktkategorien stechen dennoch hervor. Wein aus biologisch angebauten Trauben erzielt bei Fachwettbewerben oft höhere Bewertungen: Winzer behaupten, dass der geringere Chemieeinsatz feine Aromen besser zur Geltung bringt. Doch solche Beispiele sind eher Ausnahmen als die Regel.

Gesunde organische frische Lebensmittel auf dem Bauernmarkt

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Mythos 3: Öko-Produkte sind viel nährstoffreicher als konventionelle

Wissenschaftler haben über Jahre hinweg die Zusammensetzung von Bio- und konventionellem Obst, Gemüse, Milch und Fleisch verglichen. Im Durchschnitt enthalten Bio-Produkte etwas mehr Antioxidantien und bestimmte Mineralstoffe, doch der Unterschied ist nicht groß genug, um automatisch Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben. Der Gehalt an Hauptnährstoffen – Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate – ist in der Regel gleich.

Viel entscheidender ist, was nach der Ernte geschieht. Jedes Blattgrün verliert mit jedem Tag Vitamin C; Milchprodukte verderben ohne Kühlung; und Vollkorn bewahrt seinen Vitamin-Komplex nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die nährstoffreichste Nahrung ist also die, die frisch ist und richtig gelagert wurde – nicht zwingend die, die streng biologisch angebaut wurde.

 

Mythos 4: Das Label garantiert eine strenge Kontrolle

In entwickelten Ländern werden Bio-Betriebe entweder von staatlichen Inspektoren oder von akkreditierten privaten Agenturen kontrolliert, die nach einheitlichen Regeln arbeiten. Der Hersteller muss das Verfahren detailliert beschreiben, alle Belege aufbewahren und Pflichtinspektionen vor Ort zulassen. Das ist aufwendiger und teurer als gewöhnliche Landwirtschaft, bietet den Käufern aber mehr Transparenz.

Verstöße kommen dennoch vor. Es gab Fälle, in denen konventionelles Getreide als Bio-Ware verkauft oder Lieferungen mit gefälschten Papieren importiert wurden. Solche Machenschaften werden aufgedeckt – allerdings erst im Nachhinein. Die einfache Schlussfolgerung: Ein Zertifikat senkt das Betrugsrisiko, schließt es aber nicht aus. Wenn Sie Zweifel haben, suchen Sie auf dem Etikett die Nummer der Zertifizierungsstelle und überprüfen Sie sie auf der offiziellen Website.

 

Mythos 5: Ökologischer Landbau rettet die Natur und ernährt alle

Wenn Felder auf ökologische Methoden umgestellt werden, nimmt die Zahl der Regenwürmer im Boden zu, ebenso wie die von nützlichen Insekten und Vögeln in der Umgebung. Doch es gibt auch eine Kehrseite: Der Anbau von Kulturpflanzen mit minimalem Chemieeinsatz ist weniger produktiv – die Erträge sinken im Durchschnitt um fast ein Fünftel. Ein weltweiter, vollständiger Umstieg ohne Änderung unserer Essgewohnheiten würde den Bedarf an Agrarflächen erhöhen. Wenn für „grüne“ Plantagen neue Wälder gerodet werden müssten, wäre der Nutzen für das Klima dahin.

Und wir dürfen nicht vergessen, dass Bio-Produkte sehr teuer sind. Eine Ausweitung der Produktion hilft den ärmsten Ländern mit Nahrungsmangel daher kaum.

Wissenschaftler haben Szenarien berechnet, in denen eine Kombination aus einem moderaten Anteil an Bio-Produkten, weniger Lebensmittelverschwendung und einer pflanzenbasierten Ernährung ausreicht, um die Weltbevölkerung ohne zusätzliche Umweltbelastung zu ernähren. Momentan scheint ein gemischter Ansatz am sinnvollsten: Dort, wo es ökologisch gerechtfertigt ist, werden Bio-Methoden angewandt, während für ertragreiche Kulturen moderne Präzisionstechnologien mit minimalem Chemieeinsatz genutzt werden.

Familie wählt Obst und Gemüse im Supermarkt

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Preis und Verfügbarkeit: Ist Bio wirklich immer teurer?

Im Durchschnitt kosten Bananen oder Karotten mit grünem Logo etwa ein Fünftel mehr. Die Spanne ist jedoch groß: Haferflocken können genauso viel kosten wie konventionelle, während Rindfleisch bis zu 50 % teurer sein kann. Der Unterschied hängt von Saison, Logistik und Betriebsgröße ab. Interessant ist, dass der Preis für Bio-Gemüsekörbe im Einzelhandel in den letzten Jahren langsamer gestiegen ist als für konventionelle Ware: Der Markt wird massentauglicher, und die Preise gleichen sich allmählich an.

 

Spartipps für den Einkauf

  • Achten Sie auf die Saison. Während der Erntezeit ist der Preisunterschied zwischen konventionellem und Bio-Gemüse meist minimal.
  • Kaufen Sie direkt ein. Bauernmärkte, Hofkassen und Wochenkisten-Systeme reduzieren Aufschläge und bieten oft Rabatte für Stammkunden.
  • Vergleichen Sie das Gewicht, nicht nur den Preis. Bio-Obst und -Gemüse wird manchmal in kleineren Verpackungen verkauft; rechnen Sie den Kilopreis aus, um nicht zu viel zu bezahlen.
  • Lernen Sie, lagerfähige Produkte richtig zu lagern. Wurzelgemüse, ganze Getreidekörner und Hülsenfrüchte in Bio-Qualität kann man in größeren Mengen direkt beim Bauern oder im Unverpackt-Laden kaufen und monatelang an einem kühlen, trockenen Ort lagern.
  • Kaufen Sie „zweite Wahl“. Optisch unregelmäßige, aber frische Produkte sind günstiger; viele Bauern verkaufen sie reduziert oder integrieren sie in ihre Abo-Kisten.
  • Suchen Sie nach Sammelbestellungen. In Städten sind Chats und Gruppen beliebt, in denen mehrere Familien direkt beim Betrieb bestellen und sich die Transportkosten teilen.
  • Kombinieren Sie die „Dirty Dozen“ und „Clean Fifteen“. Die chemisch empfindlichsten Produkte (z. B. Erdbeeren oder Pfirsiche) sollten Sie in Bio-Qualität kaufen, während Erzeugnisse mit dicker, ungenießbarer Schale (wie Bananen, Avocados oder Zwiebeln) auch konventionell sein können – ohne unnötige Ausgaben.

 

Schnelle Tipps für Verbraucher

  1. Beachten Sie Hygienevorschriften. Das Logo schützt nicht vor Bakterien: Waschen Sie Blattgemüse unter fließendem Wasser, halten Sie rohes Fleisch getrennt von zubereiteten Speisen und erhitzen Sie Geflügelgerichte auf eine sichere Kerntemperatur.
  2. Lesen Sie das Etikett genau. Achten Sie nicht nur auf das Wort „bio“, sondern auch auf den Zertifizierungs-Code, das Verpackungsdatum und das Herkunftsland – so lässt sich der Weg des Produkts nachvollziehen.
  3. Reduzieren Sie Lebensmittelverschwendung. Planen Sie den Speiseplan für eine Woche, frieren Sie Reste ein, kochen Sie Brühen aus Gemüseresten – das spart Geld und reduziert den persönlichen CO₂-Fußabdruck.
  4. Bringen Sie Abwechslung auf den Teller. Eine Mischung aus verschiedenen Gemüsesorten, Vollkorn, Nüssen und Hülsenfrüchten liefert mehr Nährstoffe als der Fokus auf eine einzige „ideale“ Zutat.
  5. Setzen Sie Prioritäten. Wenn das Budget begrenzt ist, kaufen Sie Bio in Kategorien, wo Geschmack oder minimale Pestizidbelastung besonders wichtig sind (z. B. Babynahrung, Beeren, Blattgemüse), und den Rest konventionell.
  6. Behalten Sie das Portionsverhältnis im Blick. Weniger Fleisch und mehr pflanzliche Gerichte senken die Kosten ohne Proteinmangel und unterstützen eine nachhaltige Landwirtschaft.
  7. Bewerten Sie den Betrieb umfassender als nur nach dem Logo. Erkundigen Sie sich, wie der Hof mit Boden, Wasser und Tieren umgeht: Diese Praktiken sind oft wichtiger als das Vorhandensein eines Zertifikats.

 

Das Bio-Label ist ein hilfreicher Wegweiser, der den Einsatz synthetischer Chemikalien einschränkt und etwas mehr Rücksicht auf Boden und Artenvielfalt signalisiert. Es macht Lebensmittel jedoch nicht steril, garantiert keinen perfekten Geschmack und löst nicht alle Umweltprobleme auf einmal.

Eine ausgewogene Ernährung, der bewusste Kauf saisonaler Produkte und Aufmerksamkeit dafür, wie Lebensmittel auf Ihren Teller gelangen, bringen deutlich mehr Nutzen als jedes trendige Etikett für sich allein.